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Et es wie et es

  • Autorenbild: Horst
    Horst
  • 4. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Aug.

(Rheinisches Grundgesetz Artikel 1: Es ist, wie es ist)

Ich bin wieder zu Hause. Das E-Bike ist geputzt, der Inhalt der Satteltaschen ist in der Waschmaschine gelandet, die Taschen selbst wurden von Staub, Dreck und Sand befreit. Die Liste ist geschrieben – die Liste mit all dem, was ich aus dieser Reise mitnehme. Und vor allem mit dem, was ich zu Hause lasse und ganz sicher nicht wieder einpacken werde.

Soweit, so gut.

Ich bin so gechillt und erholt wie schon lange nicht mehr.

Das Leben fühlt sich einfach großartig an

.

Was war denn eigentlich so besonders?


Klar, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein – bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von an die 20 km/h – bringt dich nah ran: an Landschaften, Geräusche, Gerüche. An das, was du sonst nur im Vorbeirauschen wahrnimmst. Und gleichzeitig hast du einen Radius, der täglich neue Eindrücke garantiert. Felder, Dörfer, Städte, Wälder, Flüsse, Fähren – es ist eine Bühne, die sich ständig verändert. Und jede Kulisse hat ihre eigene Geschichte.



Salz in der Suppe


Aber das Salz in der Suppe – das sind für mich die Begegnungen. Mit wem auch immer. Geplant oder zufällig. Kurz oder intensiv. Laut oder leise. Vielleicht auch einfach nur ein Lächeln.

Diese Menschen, diese Momente, diese wertschätzenden Dialoge – sie bleiben. Und sie verändern. Sie zeigen mir, wie reich das Leben ist, wenn ich mich traue, offen zu bleiben.Offen für das, was kommt. Offen für das, was ist. Offen für das, was ich selbst daraus mache. Und dann muss man auch schon mal improvisieren, wenn anstelle von Zucker Salz zum Einsatz kommt.



Die Wohngemeinschaft



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Am letzten Tag meiner Tour habe ich Edgar besucht – meinen alten Mitbewohner aus der Freiburger WG von 1983. Drei Jahre lang haben wir zusammen gewohnt, diskutiert, gefeiert, gekocht, geträumt, gebastelt. Und als ich heute wieder vor ihm stehe, denke ich: Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Edgar ist immer noch Edgar.





Nach vier Wochen auf dem Fahrrad hatte Edgar eine geniale Idee – typisch Edgar, immer einen Tick anders:„Komm, wir machen ’ne Fahrradtour durch meinen Kiez!“Gesagt, getan.




Einfach ausprobieren


Edgar ist ein IT-Bastler durch und durch. Das Licht im Wohnzimmer wird selbstverständlich über den Rechner gesteuert – weil ein Lichtschalter zu bedienen einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Schließlich müsste man dazu aufstehen.



Und an der nächsten Evolutionsstufe seines Roboters wird natürlich auch schon wieder geschraubt. In seinen Schränken kämpfen Elektronikbauteile gegen Kleidung – und ehrlich gesagt: Die Bauteile haben eindeutig gewonnen. Alles wie früher. Fast.


Die besondere Wohnung


Neu ist der Ort. Edgar suchte eine neue Wohnung, und nach einigem Hin und Her hat er eine günstige Wohnung gefunden. Sie liegt in einem genossenschaftlich organisierten Wohnprojekt – betreutes Wohnen.„Zukunftssicher“, sagt er. Und ich höre diesen Satz mit gemischten Gefühlen.


Für Edgar steht das nicht wirklich im Vordergrund.Bei mir aber öffnen sich Türen, von denen ich glaubte, sie längst abgeschlossen zu haben.Bilder aus meiner Zeit im Zivildienst, als ich Krankenwagen gefahren bin, tauchen wieder auf.Ich erinnere mich an sterile Flure, an das Warten, an das Nicht-Mehr-Können, an das leise Aufgeben. Und ehrlich? Diese Zeit war eine Lehre fürs Leben – und gleichzeitig eine große Herausforderung.

Doch jetzt stehe ich nicht als Transportsanitäter, sondern als Freund in einem Gebäude, das diese Gefühle wieder aufleben lässt. Und es fühlt sich ganz anders an. Nah. Greifbar. Irgendwie unausweichlich.Eine neue Erfahrung. Eine leise Erkenntnis.

Und doch – ich hoffe, dieser mögliche Abschnitt liegt für mich noch weit in der Zukunft. Hoffentlich gelingt es mir, die Weichen so zu stellen, dass mir diese Erfahrung erspart bleibt. Wer weiß das schon?

Was wir aber schon immer wussten, hat dann eine sehr deutliche Bestätigung gefunden:Salz und Zucker sind sehr unterschiedlich.

Unser legendärer Eisbecher mit Erdbeeren – der „Coup Haslach“ – hatte durch die Verwechslung von Zucker und Salz einen Geschmack entwickelt, der uns vom Verzehr unseres geliebten Eisbechers nachhaltig abgehalten hat. Es galt, mit Marmelade und Eis zu improvisieren. Neue Wege zu gehen.


Et es wie et es


Aus dem Rheinischen Grundgesetz quillt eine volksnahe Weisheit, die humorvoll und tiefgründig zugleich ist – getragen von Gelassenheit, praktischem Pragmatismus und einer guten Portion Selbstironie. Gerade in Zeiten von Unsicherheit und Wandel, wenn das Gefühl von Kontrolle schwindet, kann genau diese Haltung Kraft spenden.

Es geht im Kern darum, aus jeder Situation das Beste zu machen.Nicht irgendwann. Nicht vielleicht. Sondern jetzt.Das ist das Einzige, was wirklich zählt – und das das Leben lebenswert macht.

Und deswegen habe ich auf dem Weg zum Bahnhof noch ein Museum reingeschoben. Mit der japanischen Variante: reinflitzen, durchhetzen, ständig fotografieren und filmen.Zu Hause kann man sich dann anschauen, was man eigentlich im Museum hätte sehen wollen.Und was das Rheinische Grundgesetz sonst noch so auf der Pfanne hat.


Da lohnt es sich, noch einmal genauer hinzuschauen.


 
 
 

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