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Perspektivwechsel

  • Autorenbild: Horst
    Horst
  • 24. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Da steht man in so einer Röhre und fragt sich, wo die Reise hingeht. In der Regel genau in eine Richtung, die man am wenigsten vermutet. Rechts, links, hoch hinaus oder tief nach unten. Wer weiß das schon?


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Und begonnen haben wir das in den letzten Tagen ganz tief unten im Dunkeln des Meeres und der Ozeane. Dort sind uns Lebewesen begegnet, die in ihrer Hässlichkeit schon wieder so beeindruckend waren, dass man sich ihrer Faszination nicht entziehen konnte.

Wenn sich die Tür im Gasometer Oberhausen hinter dir schließt, betrittst du eine andere Welt. Plötzlich stehst du Wesen gegenüber, die alles andere als schön im klassischen Sinn erscheinen – mit bizarren Körpern, schroffen Konturen und Gesichtern, die eher befremden als bezaubern.


Doch gerade in ihrer Fremdartigkeit entfalten sie eine ungeheure Faszination, die dich nicht mehr loslässt. Dann setzt der Klang der Tiefe ein: das Knacken von Korallen, das Rufen unsichtbarer Geschöpfe, ein fernes Grollen, das dich spüren lässt, wie gewaltig und zugleich verletzlich diese Welt ist. Schritt für Schritt wirst du hineingezogen, bis du dich nicht mehr als Besucher fühlst, sondern als Teil dieser geheimnisvollen Unterwasserwelt.



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Zurück auf festem Boden ging es dann rauf auf den Sattel. Immer wieder faszinierend, wie nah das Schöne liegt – selbst mitten in einer Stadt mit rund einer Million Menschen. Um unserer kleinen Radtour noch etwas Würze zu verleihen, hatte Tommy eine ganz eigene Idee:

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Er verband die Sicherungskette akribisch mit dem Schloss, ganz im Sinne strenger Versicherungsauflagen – und natürlich, um potenziellen Dieben das Leben maximal schwer zu machen. Ein kleiner, aber entscheidender Haken blieb dabei allerdings auf der Strecke: der Schlüssel. Denn ohne ihn lässt sich das Rad zwar bestens sichern, nur leider nicht mehr befreien.

Mit Hilfe eines alkoholfreien Weizenbiers wurden die Nerven beruhigt und die Rettungsaktion gestartet. Nach einer Stunde traf schließlich der reitende Bote mit dem Ersatzschlüssel ein. Endlich steckte er dort, wo er hingehört – im Schloss. Die Kette fiel, die Freiheit war zurück, und die Fahrt konnte weitergehen.



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Irgendwie bin ich vom Wasser nicht wirklich weggekommen und fand mich am Ufer des Rheins wieder. Man könnte vermuten, dass ich in die Tiefen der digitalen Welt eingetaucht wäre – auf der Gamescom. Doch da habe ich schlicht verpennt, und als ich begriff, dass Köln im Gamingfieber war, war es schon vorbei.


Stattdessen stand ich neben meinem Schaukelpferd auf dem Flohmarkt. Und vielleicht war genau das der eigentliche Gewinn. Denn während die digitale Welt auf der anderen Rheinseite in den Messehallen ihre virtuellen Abenteuer feierte, lag mein Blick auf den Menschen hinter den Ständen. Ich schlenderte vorbei an Dingen, die mich kaum fesselten – und blieb doch an den Gesichtern hängen.







Da war der stilvoll gekleidete Koch, der mit schelmischem Grinsen seine Linsensuppe anbot. Der Antiquitätenhändler, der mit einem einzigen Augenzwinkern Geschichten aus vergangenen Zeiten aufleben ließ. Die Buch- und Schallplattenverkäuferin, die kein Fitnessstudio braucht, weil sie ihre schweren Kisten mühelos auf den Flohmarkt und wieder zurück ins Auto wuchtet. Die Schmuckdesignerin, deren sympathisches Lächeln ebenso strahlt wie ihre Kreationen. Und der Puppenhändler, dessen fantasievoll dekorierte Stände mich immer wieder neu faszinieren. So zeigte sich der Perspektivwechsel ganz von selbst: Während die Massen in Pixelwelten versanken, erlebte ich die Lebendigkeit analoger Begegnungen – echt, überraschend und nah am Leben.


Wahrscheinlich ist es kaum überraschend, dass ich nach der Tiefe der Ozeane und dem Schlendern am Rheinufer doch noch hoch hinaus musste – hinein in die digitale Welt. Im Arp Museum Bahnhof Rolandseck kommt man dabei auf seine Kosten.



Auf der obersten Etage warten geduldige digitale Gestalten nur darauf, bewegt zu werden. Leichte Schwünge von rechts nach links, in die Knie gehen – einfach alles nachmachen, was vorgemacht wird. In einer Welt, in der immer mehr unpersönliche Gedanken und Positionen aufeinanderprallen, wirkt dieses stille, konfrontationsfreie Miteinander fast wie eine kleine Utopie.




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Außergewöhnlich ist auch die Architektur selbst: der gläserne Aufzug und die offene Treppenkonstruktion, für Menschen mit starkem Schwindelgefühl kaum zu überwinden. Doch genau hier zeigt sich, was ein Perspektivwechsel bewirken kann: Es gibt immer andere Wege – hinunter, zurück an den Rhein, dorthin, wo die Reise begann.


 
 
 

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