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Schritt für Schritt- Selbstwirksamkeit und Parkinson

  • Autorenbild: Horst
    Horst
  • 10. Sept. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

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Jetzt sitze ich mal wieder an meinem Lieblingsplatz und denke darüber nach, wie ich das 17. Patientinnen- und Patienten-Seminar Morbus Parkinson der Uni Köln empfunden und wahrgenommen habe https://www.uk-koeln.de/uniklinik-koeln/veranstaltungen/detailansicht/17-patientinnen-und-patienten-seminar-morbus-parkinson-08-09-2023-1/


Irgendwie fühle ich mich zurückversetzt in die Zeit, in der ich meine Diagnose bekommen habe. Wenn man sich das Programm anschaut, dann beginnt es mit dem ausführlichen „Update zur Tiefen Hirnstimulation“ und wird weitergeführt durch das „Update Pumpen und weitere medikamentöse Therapien“ bei Morbus Parkinson. Und das in einer Diktion, die das Gefühl entstehen lässt, die Krankheit wird sich sicher so entwickeln, dass diese medizinischen Eingriffe und Medikamentierungen alternativlos werden. Klingt hart, ist bei mir aber so rübergekommen.

Was ich bisher nicht gefunden habe, ist eine Person oder eine Instanz die den Mensch, der von der Diagnose betroffen ist und sein Umfeld gesamtheitlich in den Mittelpunkt stellt. Es gibt eine Fülle von Spezialisten für die Behandlung von Symptomen aber eine Rolle, die zuerst den Mensch in den Mittelpunkt stellt, die habe ich zumindest nicht gefunden.


Die Fragestellung, ob und wie der Verlauf der degenerativen Krankheit verlangsamt oder gar gestoppt werden kann und was ich selber angesichts der Diagnose tun kann, findet kaum Berücksichtigung.


Selbstbestimmte Lebensqualität


Aber hier ist aus meiner Sicht der kräftigste Hebel. Die positive Psychologie, die Glücksforschung, Resilienz und die Salutogenese bieten verschiedenste Ansatzpunkte für die selbstgesteuerte, positive Beeinflussung der Krankheit.

Es ist einfach so, man muss das, was einem das Leben auf die Treppe legt, positiv annehmen und gestalten. Ob beispielsweise durch Beziehungsänderungen, wirtschaftliche Probleme, Unfälle oder eine Krankheit wie Parkinson. Das Augenmerk der Medizin ist auf die Symptombehandlung ausgerichtet. Wie ich als Patient aus eigener Kraft dazu beitragen kann, die Gesundheit und die Lebensqualität zu verbessern, um gar nicht erst in die Situation zu kommen diese starke Medikamentierung zu benötigen, spielt kaum eine Rolle.


Salutogenese und Kohärenzgefühl


Schauen wir uns einmal die Salutogenese an. Die Salutogenese zielt darauf ab, Menschen zu befähigen ihre Gesundheit aktiv zu gestalten, anstatt sich ausschließlich auf die Behandlung der Symptome zu konzentrieren. Im Mittelpunkt steht die "Kohärenz des Lebensgefühls" oder das "Kohärenzgefühls" (sense of coherence, SOC), die aus drei Denkweisen besteht.


Verstehbarkeit (Comprehensibility)

Es beginnt mit der Akzeptanz der Diagnose. Es geht darum, anzunehmen, zu verstehen, nicht zu erstarren und in eine Opferrolle abzugleiten. Die möglichen motorischen Symptome sind beispielsweise:

  • Bradykinese: verlangsamte Bewegungen, Schwierigkeiten Bewegungen zu initiieren und auszuführen

  • Rigor: Versteifung der Muskulatur

  • Ruhetremor: das bekannte Zittern in den Händen

  • Haltungsinstabilität: Die Fähigkeit, das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten

Nicht-motorische Symptome können darüber hinaus beispielsweise sein:

  • Depression und Angst

  • Schlafstörungen

  • Verlust des Geruchssinns | Schluck-, und Sprachprobleme

  • Konzentrations- oder Gedächtnisprobleme

Schaut man sich die Symptome bei Tageslicht an, dann liegt auf der Hand, dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, durch eigenes Denken und Handeln, diesen Symptomen entgegen zu wirken.

Mein erster spontaner Gedanke auf die Diagnose war „Ach du Scheiße“ und wenn ich jemandem davon erzählt habe, war das in der Regel auch der erste spontane Satz meines Gesprächspartners: „Ach du Scheiße“. Und dann hatte ich ein Gespräch mit einer Pflegekraft aus der Neurologie, die sagte was ganz anderes:„Jackpot: von allen neurologischen Krankheiten hast du die Beste erwischt“.


Und von da an habe ich meine Diagnose willkommen geheißen. Damit wir besser miteinander reden können, habe ich ihr den Namen "Parki" gegeben, Parki ist nun der neue Mitbewohner in meinem Körper und wir beide leben in einer Wohngemeinschaft mit einer hoffentlich "guten" Balance, möglichst auf dem aktuellen Status Quo.



Handhabbarkeit (Manageability)




Die zweite Denkweise ist die Handhabbarkeit. Handhabbarkeit betrifft die Überzeugung, dass ich die Ressourcen und Fähigkeiten besitze, um mit den Symptomen der Krankheit umzugehen und durch eigenes Handeln positive Veränderungen zu erreichen.


Ich habe schon immer den Ausdauersport geliebt, und das kommt mir heute sicherlich zu Gute. Die Sportarten, die bei diesem Krankheitsbild gut geeignet sind, sind beispielsweise Tanzen, Tischtennis, Boxen, Klettern, Yoga und Meditation. Meine erste Wahl fiel auf Boxen und Yoga. In der Box-Gruppe „Strong bei Nature“ von Derek, https://www.parkinson-training.org/ wird Beweglichkeit, Gleichgewicht, Koordination und Kondition mit vielen spielerischen Elementen durch „Kontaktloses“ Boxen gefördert. Was ich dabei ganz besonders schätze ist, wie die Gruppe miteinander umgeht. Es wird jeder so akzeptiert wie er ist, mit seinem ganz persönlichen individuellen Einschränkungen. Yoga hilf mir zur Entspannung und und zur gezielten Öffnung des Brustkorbes.

Mein zweiter wichtiger Baustein ist Neuroathletisches Training. Und so funktioniert Neuroathletiktraining: Für jede Bewegung, die wir ausführen, benötigt das Gehirn sensorische Informationen aus den drei bewegungssteuernden Systemen:

  • Augen (visuelles System)

  • Gleichgewicht (vestibuläres System)

  • Eigenwahrnehmung im Raum (propriozeptives System).

Das Training der sensorischen Fähigkeiten, speziell für Parkinson beeinträchtigte Bewegungsabläufe steht im Mittelpunkt und erreicht substanzielle Verbesserungen.

Der dritte Baustein ist die Logopädische Arbeit an der Stimme. Gerade dieses ist für mich besonders wichtig.

Der vierte Baustein ist Ayurveda. Ich habe mich entschlossen, durch Kuren in Indien die Zielsetzung zu verfolgen, den weiteren Fortschritt der degenerativen Entwicklung zu verlangsamen. Dies ist ganz sicher nicht für jeden geeignet, für mich persönlich empfinde ich es jedoch als extrem hilfreich und das kann man in diesen Blog durch viele Beiträge miterleben.

Der fünfte Baustein beinhaltet geistige Herausforderungen, die ich in meiner Arbeit finde. Auch hier gibt es viele Möglichkeiten den Kopf fit zu halten nach dem Motto „Use it or loose it“, wie beispielsweise durch das erlernen einer neuen Fremdsprache.


Und das, was ich als Rheinländer liebe, sind positive, sozialen Kontakte, Gespräche und Inspirationen, die das Leben für mich lebenswert machen. Was auch immer in die eigene Lebensform passt, das Wichtigste ist, etwas zu tun.

Sinnhaftigkeit (Meaningfulness)

Die dritte Denkweise bezieht sich darauf, einen Sinn oder Zweck mit einem positiven Zukunftsbild in der eigenen Vorstellungskraft zu verankern. Parkinson wird dann zu einer neuen Facette im eigenen Leben, das weiterhin genauso lebenswert gestaltet werden kann. Leicht gesagt, anspruchsvoll und herausfordernd umzusetzen, aber kraftspendend für alles, was man tut. Es ist unglaublich wertvoll für die Gesundheit, Glück und Zufriedenheit in dieses Positive Denken und Handeln immer wieder Energie zu stecken.


Schritt für Schritt Selbstwirksamkeit und Parkinson


Der Beitrag ist offensichtlich etwas länger geworden, als ich eigentlich wollte. Nun sitze ich gedanklich wieder in dem Hörsaal und denke mir, dass die Medikamentierung, die in diesem Raum so präsent präsentiert wird, nur ein Baustein und nicht alles ist. Ich würde mir wünschen, dass die Aufmerksamkeits-Fokussierung zuerst die Selbstwirksamkeit in den Mittelpunkt stellt. Das Gehirn ist so unglaublich entwicklungsfähig. Es gibt Menschen, die nur mit dem halben Gehirn zwei Fremdsprachen sprechen und ein ganz normales Leben führen. Diese Neuroplastizität ist aus meiner Sicht der leistungsfähigste Schlüssel der Selbstwirksamkeit, was in vielen Studien der positiven Psychologie und der Glücksforschung belegt ist.


Schritt für Schritt das miteinander kombinieren, was die Selbstwirksamkeit entwickelt und fördert und dabei all das nutzt, was das eigene Leben lebenswert macht.

 
 
 

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